„Moin moin, wo geiht di dat?“ Viele Norddeutsche
haben diese Frage schon oft gehört oder sogar schon
selbst gestellt. Überhaupt begegnen uns im Alltag
viele plattdeutsche Phrasen und Sprichwörter. Viele
Dörfer haben plattdeutsche Schilder am Ortsein-
und Ausgang aufgestellt. Da heißt es zum Beispiel:
„Kiek mol wedder in!“ Oder die Straßen
heißen „Reetbrook“ oder „An
de Beek“. Und wer kennt sie nicht, die vielen
Binsenweisheiten: „Wat mutt, dat mutt.“
Oder „So'n Schiet, seggt Fiet.“
Dass Plattdeutsch viel mehr sein kann als die gemütliche
„Schnack-Spraak“, wissen heute aber nur
noch Wenige. Die Sprache ist in ihren Ursprüngen
inzwischen 1.200 Jahre alt. In der Vergangenheit war
sie die Hauptverkehrssprache der Hanse und wurde, ausgehend
von Lübeck, von Seeleuten, Händlern und Privatpersonen
im gesamten nordeuropäischen Raum beherrscht und
oft im Alltag gesprochen ‒ ähnlich wie heute
das Englische. Sogar Gesetzestexte und Handelsurkunden
wurden auf Mittelniederdeutsch verfasst, dem Vorläufer
des heutigen Neuniederdeutschen (Plattdeutsch).
Es gab und gibt auch sehr erfolgreiche und anspruchsvolle
Literatur auf Plattdeutsch. Plattdeutsch-Liebhaberinnen
und Liebhaber erinnern sich gern an die Sternstunden
Klaus Groths oder Fritz Reuters, an kluge, teils melancholische
Gedichte und launige oder ernste Erzählungen.
Einige Kinderbücher wurden sogar ins Plattdeutsche
übersetzt, wie z.B. „Harry Potter“,
„Pippi Langstrumpf“ oder „Der Grüffelo“.
Das Plattdeutsche trifft uns direkt ins Herz, denn es
ist eine einfache, aber sehr ehrliche und herzliche
Sprache. So bemerkte schon Klaus Groth in einem Gedicht:
„Min Modersprak, wat klingst du schön, /
wat büst du mi vertrut! / Weer ok min Hart ut Stahl
un Steen, / du dreefst den Stolt herut.“(1)
Heutzutage ist das Plattdeutsche leider vom Aussterben
bedroht. Immer weniger junge Menschen lernen die Sprache
von ihren Eltern oder Großeltern. Manche verstehen es
noch, aber kaum jemand spricht es. Deshalb hat auch
die Regierung erkannt, dass es eine schützenswerte Regionalsprache
ist. In einer europäischen Gesetzes-Charta ist festgeschrieben,
dass sich die Bundesrepublik Deutschland dem Schutz
und Erhalt des Niederdeutschen verschreibt, und zwar
auch im Bildungswesen.
Seit 2014 gibt es deshalb auch ein öffentlich
gefördertes Modellprojekt „Niederdeutsch
an Schulen“ in Schleswig-Holstein. An knapp 30
Grundschulen im Land wird seit einigen Jahren Niederdeutsch
als freiwilliges Zusatz-Schulfach angeboten, und zwar
von Klasse 1 an. Auch an unserer Auenwaldschule gibt
es ein Plattdeutsch-Angebot, denn sie gehört zu
diesen Modellschulen.
Alle Schülerinnen und Schüler können
sich ab Klasse 1 für den Plattdeutsch-Unterricht
anmelden und erhalten dann zwei Wochenstunden Plattdeutsch-Unterricht.
Diese beiden Stunden werden zusätzlich erteilt,
damit die Schülerinnen und Schüler keinen
anderen Unterricht versäumen. Die Anmeldung ist
freiwillig und man darf zunächst einige „Schnupperstunden“
absolvieren, bevor man sich dann für ein Jahr verbindlich
anmeldet.
Im ersten Jahr lernen die kleinen Auenwaldler spielerisch
und mit vielen spannenden Geschichten, Gedichten, Liedern
und Spielen die plattdeutsche Sprache kennen: Wie begrüßen
und verabschieden wir uns „op platt“? Was
war eigentlich mit „Herrn Pastor sien Kauh“?
Wie hört sich „Pippi Langstrumpf“ auf
Plattdeutsch an? Und welche plattdeutschen Reime und
Tänze gibt es? Wie heißen die Farben und
Zahlen auf Plattdeutsch?
Im Vordergrund steht immer der Spaß am Sprechen, den
unsere Plattdeutsch-Lehrerin Frau Nissen in Hülle und
Fülle mitbringt und an die Kinder verteilen möchte.
Sofort merkt man hier: Plattdeutsch lernen geht ziemlich
schnell, auch wenn man es vorher gar nicht kannte!
Wenn die Kinder Gefallen am Plattdeutsch-Lernen gefunden
haben, dürfen sie gern dabei bleiben und auch in
den folgenden Jahren weiter lernen ‒ schließlich
macht Plattdeutsch süchtig, wenn man einmal begonnen
hat. Selbstverständlich ist auch ein Neueinstieg
in den höheren Klassenstufen möglich, weil
man mit etwas Mut zum Sprechen auch sehr schnell die
plattdeutsche Sprache erlernen kann.
In den Klassenstufen 2 bis 4 können die „Plattdüütschen“
weiterhin viel „schnacken“, auch anspruchsvollere
Übungen und Spiele durchführen, über
Nomen und Verben auf plattdeutsch lernen und sogar kleine
Theaterstücke oder Vorlesewettbewerbe auf Plattdeutsch
gestalten.
Bei den Schulkonzerten können sie dann ein witziges
plattdeutsches Popup-Märchen oder einen plattdeutschen
Tanz mit Reimen präsentieren. Ein Höhepunkt der vergangenen
Jahre war außerdem der Besuch eines plattdeutschen Kindertheaters
in Schleswig, der bestimmt in Zukunft wiederholt werden
wird.
Plattdeutsch macht Spaß und ist ein wichtiger
Teil unserer norddeutschen Kultur und Identität.
Sie ist kein „Tüünkraam“, sondern
„bannig wichtig“. Wir wollen dabei helfen,
die Sprache wieder mit Leben zu füllen - vielleicht
hat ja auch Ihr Kind Interesse, sich anzumelden! Es
sind keine Vorkenntnisse erforderlich, der Unterricht
ist kostenlos und jeder kann mitmachen. Wir freuen uns
schon darauf und sagen: „Hartlich willkamen!“
OE
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1) Klaus Groth: Min
Modersprak; erschienen in der Gedichtsammlung „Quickborn“
(1853)
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