Ein wenig aufgeregt waren die Schülerinnen und Schüler
der 4. Klasse schon, als auf dem Stundenplan zwei Tage
Sexualerziehung standen. Frau Petersen, die eine Hebamme
ist, hatte ein hochinteressantes und vielschichtiges
Programm vorbereitet, um die bald in die Pubertät eintretenden
Kinder auf die vor ihnen liegende aufregende Zeit vorzubereiten.
Wenn ein Kind langsam zu einem Erwachsenen heranwächst,
dann verändert sich im Körper eine Menge. Die für diese
Veränderung verantwortlichen Hormone schicken den heranwachsenden
Körper auf abenteuerliche Achterbahnfahrten und sorgen
dafür, dass plötzlich neue Haare wachsen, sich die Stimme
verändert, der Körper wächst und sich in seiner Form
neu ausrichtet. All diese Veränderungen können verunsichern,
werfen aber auf alle Fälle viele, viele Fragen auf.
Mit Bilderbüchern, informativen Filmen und jeder Menge
Anschauungsmaterial wurde geschickt an das Vorwissen
der Kinder angeknüpft und das Wissen über eine ganz
normale Reifung des Körpers vermittelt.
Fielen bisweilen noch eher umgangssprachliche Begrifffe,
so konnten die Kinder in kurzer Zeit ganz selbstverständlich
und ohne Scham über das Erwachsenwerden sprechen
und ihre Fragen an die Hebamme stellen. Artikel zur
Monatshygiene wurden ausgepackt und ausprobiert. Hierzu
hatte sich Frau Petersen etwas Besonderes einfallen
lassen: Mit einer Spritze wurde schwarzer Johannisbeersaft
auf eine Slipeinlage geträufelt und überprüft,
ob die Flüssigkeit denn auch tatsächlich nicht
auf der anderen Seite wieder hinausläuft. In einem
„Pubertätsgrabbelsack“ befanden sich
allerlei Utensilien, die dann aktuell werden, wenn die
Kinder zu Erwachsenen heranwachsen. Große Erheiterung
gab es bei den unterschiedlichen Deos für Jungen
und für Mädchen oder bei der Anti-Pickel-Creme.
Der zweite Tag war dann noch deutlich aufregender:
Alles drehte sich um Schwangerschaft und Geburt. Als
ganz besonderer Besuch kam eine junge werdende Mutter
vorbei und berichtete davon, wie es sich anfühlt,
schwanger zu sein. Die Kinder wollten gern wissen, wann
das Baby denn geboren werden wird. „Im August“,
erzählte die werdende Mama, „ich kenne auch
den errechneten Geburtstermin.“ Aber nur ganz
wenige Babys werden tatsächlich an diesem Tag geboren.
Welches Geschlecht das Baby denn haben werde, wollten
die Kinder auch noch wissen. „Das wissen wir selber
noch nicht“, verriet die werdende Mutter, „bislang
konnte man das noch nicht bei den Ultraschalluntersuchungen
sehen. Manche Frauen erfahren das bis zur Geburt nicht.
Vielleicht erfahren wir es ja bei der nächsten
Untersuchung. Ich bin gespannt!“ Eine weitere
Information fanden alle Kinder sehr aufregend: Nach
vier Wochen ist ein Baby im Mutterleib etwa so groß
wie ein Reiskorn. Ein einzelnes Reiskorn wurde durch
die Reihen gereicht. Für weitere Größenvergleiche
wurde eine Kastanie und eine Limette bemüht.
Nach der Pause erwartete die Klasse noch ein Überraschungsgast.
Erst 14 Tage alt und unglaublich niedlich, tief entspannt
schlafend und winzig klein eroberte Jule-Marie die Herzen
aller Viertklässler im Sturm. Jule-Maries Mama war das
Glück über die Geburt ihrer Tochter sofort anzusehen.
Die Kindergesichter wurden ganz weich, als Jule-Marie
langsam durch die ganze Klasse getragen wurde. Sogar
ein Erinnerungsfoto mit Baby, Kindsmutter und Hebamme
durfte gemacht werden. Jule-Maries Mutter berichtete
über die Schwangerschaft und die Geburt und ganz viel
darüber, wie zufrieden und ruhig Jule-Marie sei.
„Schreit sie viel nachts?“, wollte eine
Schülerin wissen. Jule-Maries Mama zuckte mit den
Schultern und antwortete: „Eigentlich nicht ‒
sie schreit eigentlich nie viel und schläft noch
bis zu 16 Stunden am Tag.“ Die Kinder achteten
sorgsam darauf, dass keine Fotos mit Blitz angefertigt
werden. „Das blendet Jule-Marie. Wir nehmen lieber
etwas unscharfe Bilder!“, wurde ich angewiesen,
als ich das Baby fotografieren wollte. Klar ‒
Ehrensache ‒ der Blitz war schon ausgeschaltet.
Anschließend wurde noch einmal über alles
Erlebte gesprochen und ein Schwangerschafts- und Geburtsgrabbelsack
herumgereicht. Hier fanden sich viele Gegenstände,
die die Kinder zu Aussagen veranlassten, wie: „So
eine Rassel hatte ich als Baby auch!“ ‒ „Meine
Schwester hat auch eine solche Babybürste.“ ‒
„Zum Glück ist das eine unbenutzte Windel.“
Mit vielen Informationsmaterialien wurden die Kinder
ausgestattet und wir verabschiedeten uns von den Jungs,
die erst einmal eine Runde Fußball spielen gingen.
Die Mädchen jedoch erhielten noch eine eigene Mädchenstunde.
Hier konnten die Fragen gestellt werden, die vielleicht
in Gegenwart der Jungen nicht so einfach gestellt worden
wären. Die mitgebrachten Babypuppen wurden noch
einmal geknuddelt und zum Abschluss gab es noch ein
Mädcheninformationspäckchen.
Wir erlebten an diesen beiden Tagen hochinformative
und lockere Stunden. Die Kinder wurden altersgerecht
und kindgerecht über die vor ihnen liegende abenteuerliche
Zeit informiert.
Die Rückmeldungen der Kinder waren durchweg positiv.
Besonders punkten konnten die beiden Frauen, die vor
Ort berichteten und die Filme, die auf kindgerechte
Art und Weise alle wichtigen Dinge darstellten.
Vielen Dank an die Hebamme Frau Petersen, an Jule-Marie,
die uns besuchende werdende Mutter und an alle, die
geholfen haben, diese Tage so informativ und wertschätzend
zu gestalten.
DJ
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